AUSTRALIEN / Queensland – Wie restriktive VAD*-Gesetze schweres Leid verursachen
24. Mai 2022
Gastbeitrag von Bryan McMahon, Queensland, Australien. März 2022
Die Ehefrau des Australiers Bryan McMahon beendete ihr Leben durch einen einsamen Suizid. Er beschreibt, wie es dazu kam und weshalb es ganz anders hätte sein können und sollen**.
Meine Frau Valerie McMahon hat am 11. Oktober 2020 ihr Leben durch Suizid beendet.
Valerie («Val») heiratete mich 1963 nach einer 18-monatigen Verlobungszeit. Wir betrieben beide aktiv verschiedene Sportarten, doch schliesslich liessen wir uns auf das Leben auf einer Farm ein; ich betrieb ein eigenes Geschäft und Val bewirtschaftete die Farm. Das Leben war wunderbar, und wir freuten uns beide auf unser gemeinsames Alter und darauf, irgendwann in einer Kiste von unserer geliebten Farm und unserem Lebensstil weggetragen zu werden. Doch leider kam es, wie viele Dinge im Leben, anders.
Val wurde mit einer Sehschwäche geboren, und im Laufe der Jahre verlor sie trotz bester medizinischer Behandlung zunehmend ihre Sehkraft. Für jemanden, der so aktiv ist, zeigte sie grosse Bereitschaft, ihren Lebensstil zu ändern, um sich an ihre ständig nachlassende Sehkraft anzupassen. Mit Mitte siebzig erblindete Val vollständig, und die Blindheit wurde schliesslich zu schwer für sie.
Es war bemerkenswert zu beobachten, dass viele Personen anscheinend der Auffassung sind, dass Menschen, die ständig leiden und gegen eine schwere Krankheit ankämpfen, Helden sind, wenn sie sich so lange mit einem schlechten und qualvollen Gesundheitszustand abfinden, bis der Tod sie holt.
Ganz anders ist dies, wenn eine Person, die ein selbstbestimmtes Lebensende wählt, VAD* in Anspruch nimmt. Viele halten dies für einen feigen Akt, obschon dies sehr weit von der Wahrheit entfernt ist.
Da Val nicht mehr in der Lage war zu sehen, bat sie mich, ihr bei der Suche nach einer Möglichkeit zur Sterbehilfe in Europa zu helfen. Wir verbrachten viele Tage damit, zusammen Kaffee zu trinken, über die verschiedenen Möglichkeiten zu sprechen und persönliche Geschichten von Menschen zu lesen, die diesen Weg der Lebensbeendigung wählten und ihn auch gehen wollten. Schliesslich entschied sie sich für eine der Möglichkeiten, in der Schweiz ihr Leben zu beenden. Ich hatte das Leiden meiner Frau lange Zeit mit angesehen, und so sehr ich sie auch liebte und vermissen würde, wollte ich doch, dass sie tat, was sie für das Beste hielt. Val brauchte unsere Unterstützung in ihrer Entscheidung zu sterben; ich denke, man kann dies wohl als bedingungslose Liebe bezeichnen. Mein Sohn und ich wollten in die Schweiz reisen, um Val auf ihrem Weg zu unterstützen und ihr in den letzten Momenten ihres Lebens Trost zu geben. Doch dann kam COVID, und wir durften Australien nicht verlassen.
Die Zeit verstrich, und Val sagte mir, sie könne nicht warten, bis unsere Grenzen wieder geöffnet würden. Aufgrund unserer restriktiven Gesetze musste Val den Suizid schliesslich alleine durchführen, während ich nicht zu Hause war. Sie band sich ein schweres Brecheisen an die Knöchel, fesselte ihre Hände und sprang in die Tiefe unseres Familienpools. Ich will mir nicht vorstellen, was in ihr vorging und wie einsam sie sich dabei gefühlt haben muss, und ich habe grossen Respekt vor ihrem Mut. Ein richtiges VAD-Gesetz hätte uns eine viel zivilisiertere, liebevollere und fürsorglichere Zeit miteinander ermöglicht und wäre für uns alle viel hilfreicher gewesen.
Das Gesetz im australischen Bundesstaat Queensland erlaubte zu jener Zeit kein VAD; die Regierung war jedoch dabei, eine sehr limitierte Form von VAD in unserem Staat zu erwägen und gesetzlich zuzulassen.
Das VAD-Gesetz in Queensland ist nun seit Ende 2021 in Kraft; doch selbst dieses hätte Val mit ihrem quälenden Sehverlust und der langen psychischen Belastung nicht helfen können. Das VAD-Gesetz von Queensland ist ähnlich wie die Gesetze, die in anderen australischen Bundesstaaten eingeführt wurden. Sie sehen nicht vor, dass Personen den Zeitpunkt ihres Lebensendes selbst bestimmen können, es sei denn, es wird prognostiziert, dass sie innerhalb der nächsten 12 Monate an einer irreversiblen Krankheit sterben.
Die Voraussetzungen des VAD-Gesetzes wurden ursprünglich an die Rechtskommission von Queensland verwiesen, damit diese sie überprüft und ein geeignetes VAD-Verfahren empfiehlt. Ein VAD-Verfahren nach Schweizer Vorbild wurde gar nie in Betracht gezogen, da dies von der Regierung gegenüber der Kommission ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Nichtsdestotrotz hatte ich der Kommission im Rahmen einer öffentlichen Vernehmlassung einen Vorschlag unterbreitet. So viel zum Thema «ernsthafte Recherche» bei der Gestaltung der Gesetzgebung in unserem Staat. Religiös motivierte und andere Interessengruppen haben offensichtlich verhindert, dass eine Art VAD nach Schweizer Vorbild in unsere Gesetze aufgenommen wurde. Ich glaube, die Einführung dieses Gesetzes mit seinen sehr restriktiven Bedingungen durch die Regierung von Queensland zeigt, wie ängstlich und rückgratlos sich Regierungen aller Couleur verhalten, wenn Lobbygruppen Druck machen.
Es bleibt zu hoffen, dass wir diese Art von Gesetzgebungsprozess über die Zeit ändern können und wir eines Tages auch ordentliche VAD-Gesetze in der ganzen Welt haben werden.
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* VAD / Voluntary Assisted Dying: der Begriff «Voluntary Assisted Dying» (VAD) bedeutet sowohl Suizidhilfe als auch direkte aktive Sterbehilfe durch einen Arzt.
** Im vorliegenden Text schildert der Gastautor detailliert die Suizidmethode, mit der seine Gattin ihr Leiden und Leben beendete. DIGNITAS ist der Auffassung, dass die Beschreibung in diesem Fall ein wesentlicher Bestandteil des Kernthemas des Beitrags ist: Wenn ein Mensch aufgrund seines Leidens eine wohl erwogene Entscheidung trifft, sein Leben zu beenden, ihm jedoch der Zugang zu einer legalen, sicheren und professionell begleiteten Methode verwehrt ist, wählt er unter Umständen einen einsamen Suizid mit einer drastischen Methode. Dies ist sowohl riskant für die Person selbst (die Methode ist nicht sicher und die Person riskiert schwere Folgeschäden) als auch problematisch für ihr Umfeld (Freunde und Angehörige dürfen nicht bis zum Ende begleiten, Traumatisierung von Drittpersonen).