SÜDKOREA – Für ein gutes Gelingen von Südkoreas erstem PAS-Gesetz

22. November 2022

Gastbeitrag von Jongbok Kim, Right-to-die Aktivist, Südkorea

Aufmerksam verfolgen die Menschen in Südkorea die Entwicklung des ersten Gesetzes über ärztlich assistierten Suizid (PAS; physician-assisted suicide) des Landes. Während verschiedene Experten dem Gesetzentwurf ablehnend gegenüberstehen, zeigen die Ergebnisse jüngster Umfragen, dass das Interesse der Koreaner an der Legalisierung von PAS ungebrochen hoch ist.

Beim Gesetzesentwurf mit dem Namen «Assisted Dying in Dignity Act», der am 15. Juni 2022 in die Nationalversammlung eingebracht wurde, handelt es sich nicht um ein völlig neues Gesetz, sondern um Änderungsvorschläge im derzeitigen Gesetz zur passiven Sterbehilfe, das lediglich Patienten, die sich bereits in der «aktiven» Sterbephase[1] befinden, erlaubt, lebenserhaltende Behandlungen wie Herz-Lungen-Wiederbelebung (CPR), Hämodialyse, Verabreichung von Krebsmedikamenten, mechanische Beatmung usw. abzulehnen.

Umfragen bestätigen positive Haltung der Bevölkerung

Dieses Gesetz wird als zu eng kritisiert. Die vorgeschlagene Änderung würde den Geltungsbereich auf alle unheilbar kranken Menschen ausweiten, die unter unerträglichen Schmerzen leiden, und PAS-Bestimmungen hinzufügen, die denjenigen ähneln, die bereits in anderen Ländern eingeführt wurden, z. B. in einigen Bundesstaaten der USA und Australiens.

Der Gesetzentwurf wurde vom Abgeordneten Gyuback Ahn von der Demokratischen Partei eingebracht, der klar die Ansicht vertritt, dass es an der Zeit ist, ein fortschrittlicheres Gesetz einzuführen, das unheilbar kranken Patienten den Zugang zu ärztlich unterstütztem Suizid als legale Option am Ende ihres Lebens ermöglicht.

Vor und nach der Vorlage des ersten PAS-Gesetzes gab es einige bemerkenswerte Umfragen, die auf 1.000 befragten Teilnehmern basierten und die Einstellung der Südkoreaner zur Legalisierung der direkten aktiven Sterbehilfe oder des ärztlich assistierten Suizids (EPA) untersuchten. Wie die nachstehende Tabelle zeigt, befürworten 7 oder 8 von 10 Koreanern die Legalisierung.

Uneinigkeit in den öffentlichen Debatten

Nach der Vorlage des PAS-Gesetzes fanden zwei öffentliche Diskussionsrunden statt, welche die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zogen.

Am 13. August 2022 fand in einem Seminarraum des Parlamentsgebäudes ein öffentliches Seminar mit dem Titel «Systematisierung der medizinischen Versorgung am Lebensende dringender als die Zulassung von Sterbehilfe» statt, welches vom Parlamentsabgeordneten Hyunyoung Shin, einem ehemaligen Hausarzt, der derselben Partei angehört wie der Antragsteller des Gesetzentwurfs, veranstaltet wurde. Alle neun Podiumsteilnehmer, darunter sechs Ärzte, sprachen sich gegen den PAS-Gesetzesentwurf aus, da die Gesellschaft noch nicht bereit dafür sei, und diskutierten vor allem über die Notwendigkeit, vor der Legalisierung von PAS ein nationales System für die Versorgung am Lebensende zu entwickeln.

Am 24. August 2022 fand im 107 Sitze fassenden Auditorium des Abgeordnetenhauses eine öffentliche Debatte über das Für und Wider der Legalisierung von PAS statt, zu welcher der Antragsteller eingeladen hatte und an der rund 130 Personen aus verschiedenen Alters- und Berufsgruppen teilnahmen. Acht Podiumsteilnehmer aus verschiedenen Berufsgruppen, darunter ein Hausarzt (MD, Youngho Yun, siehe Tabelle oben), ein Philosophieprofessor, ein ehemaliger Präsident der koreanischen Gesellschaft für medizinische Ethik, ein ehemaliger Richter/Anwalt und ein katholischer Geistlicher) argumentierten nacheinander die Vor- und Nachteile des PAS-Gesetzes aus ihrer beruflichen Perspektive. Zwei Argumente, die den Autor besonders beeindruckten, waren die folgenden: Hyunseop Kim, der Philosophieprofessor, befürchtete, dass eine Legalisierung von PAS zu «social killing» führen oder Menschen zwingen könnte, ungewollte Entscheidungen zu treffen. Junhee Nam, der ehemalige Richter, erklärte hingegen, dass das Selbstbestimmungsrecht unheilbar kranker koreanischer Patienten in Artikel 10 der südkoreanischen Verfassung[2] als spezifische Ausprägung des «Wertes und der Würde des Menschen und des Rechts auf Streben nach Glück» anerkannt werden kann.

Der ärztlich assistierte Suizid scheint in Südkorea also ein höchst umstrittenes Thema zu sein, ähnlich wie in England und Frankreich, wo das Thema schon seit Jahrzehnten diskutiert wird. Statistisch gesehen befürworten die meisten Südkoreaner eine Legalisierung für all diejenigen, die unter irreversiblen und unerträglichen Schmerzen leiden; so genannte Experten wiederholen jedoch ihre rechtlichen oder politischen Standpunkte statt das Leiden von Patienten, das nicht gelindert werden kann, ernst zu nehmen.

Als Right-to-die Aktivist erwartet der Autor, dass unheilbar kranke Personen als Teilhaber des PAS-Gesetzes anerkannt werden und dass weitere Diskussionen geführt werden, die es ihnen ermöglichen, sich direkt zu beteiligen, um ihre Bedürfnisse einzubringen und die von ihnen dringend gewünschte Hilfe zu erfahren.

[1] Damit ist nicht die Terminalphase gemeint, sondern im Allgemeinen die letzten Tage bis Wochen des Lebens
[2] Verfassung der Republik Korea – Artikel 10: «Alle Bürger haben das Recht auf Wert und Würde als Mensch und das Recht auf das Streben nach Glück. Es ist die Pflicht des Staates, die grundlegenden und unantastbaren Menschenrechte des Einzelnen zu bestätigen und zu garantieren.»