IRLAND – Auf dem Weg zu einem neuen Sterbehilfegesetz
21. November 2023
Gastbeitrag von Justin McKenna*
1993 wurde in Irland der «Criminal Law (Suicide) Act» verabschiedet, ein Gesetz, das den Suizid entkriminalisierte. Gleichzeitig wurde der assistierte Suizid als Straftat eingestuft, die mit bis zu 14 Jahren Gefängnis bestraft werden kann. Drei Jahre später entschied der Oberste Gerichtshof Irlands, dass es zulässig sei, eine medizinische Behandlung abzulehnen, auch wenn dies bedeutet, den eigenen Tod herbeizuführen. Ebenfalls 1996 wurde das Gesetz über die Bevollmächtigung («Power of Attorney Act»; POA) verabschiedet, welches es Personen ermöglicht, Entscheidungsbefugnisse für den Fall des Verlusts ihrer Urteilsfähigkeit an Bevollmächtigte zu delegieren.
In den folgenden Jahren stimmten die irischen Bürger in Volksabstimmungen über die Liberalisierung der Gesetze zu Abtreibung, Homosexualität und gleichgeschlechtlicher Ehe ab. Der Oberste Gerichtshof befasste sich 2013 mit dem Fall Fleming, durch welchen Marie Fleming das Recht auf die eigene Lebensbeendigung als von der Verfassung geschütztes Recht durchsetzen wollte. Sie scheiterte, doch das Gericht entschied, dass die Verfassung den Gesetzgeber nicht daran hindert, ein Gesetz zu verabschieden, das Sterbehilfe zulässt, sofern auch Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz des Lebens getroffen werden.
Die aktuelle «end-of-life inquiry» im Oireachtas
Im Jahr 2015 wurde eine Gesetzesvorlage («Dying with Dignity Bill») in das irische Parlament («Oireachtas») eingebracht, jedoch aufgrund der Parlamentswahlen nicht weiterverfolgt. 2018 wurde eine weitere Gesetzesvorlage eingebracht, die anschliessend jedoch zurückgezogen wurde, um eine Debatte zu ermöglichen. Derzeit befasst sich die «Joint Commission on Assisted Dying», ein Ausschuss der beiden Häuser des Oireachtas, mit dem Thema. Der Ausschuss hat seine Beratungen im Juni 2023 aufgenommen und soll im März 2024 einen Bericht vorlegen. Er tagt wöchentlich und hört irische und internationale Experten an, darunter auch DIGNITAS (26. September 2023). Unsere Organisation «End of Life Ireland» (EOLI) wurde am 7. November 2023 angehört (Link zu den Videos and Skripts).
Ebenfalls 2015 übernahm Irland die Grundsätze des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, als es den «Assisted Decision Making (Capacity) Act» verabschiedete. Dieses Gesetz war eine Fortsetzung des POA-Gesetzes von 1996. Es ändert die Art und Weise, wie Urteilsfähigkeit bewertet wird, von einer Status- zu einer Funktionsbewertung. Menschen dürfen dadurch nicht mehr von vornherein als urteilsunfähig behandelt werden. Das Gesetz regelt auch die Patientenverfügung und respektiert damit die Autonomie des Individuums.
Die in diesem Gesetz enthaltenen Änderungen waren so weitreichend, dass acht Jahre lang Beratungen mit Fachleuten des Gesundheitswesens und Juristen erforderlich waren. Das Gesetz von 2015 trat schliesslich im Jahr 2023 in Kraft. Es ist ein Vorbote für Fortschritt auch in unserer Sache.
Ausblick
Ein neuer Gesetzesentwurf zu «Voluntary Assisted Dying» (VAD)**, der einen Katalog von Schutzmassnahmen und Einschränkungen enthält, wird wahrscheinlich noch während der Amtszeit der nächsten Regierung veröffentlicht. Mit einer Parlamentswahl ist 2024 oder 2025 zu rechnen. Nachdem es bisher gelungen ist, die wichtigsten Fragestellungen im Zusammenhang mit der Sterbehilfe aufzuzeigen, wollen wir uns im nächsten Jahr darauf konzentrieren sicherzustellen, dass die in einem künftigen Gesetzentwurf enthaltenen Bestimmungen und Bedingungen das Recht auf Sterbehilfe nicht behindern. Zu diesem Zweck wird EOLI*** im September 2024 in Dublin die nächste Konferenz der World Federation of Right to Die Societies veranstalten.
___
* Justin Mc Kenna ist Rechtsanwalt und setzt sich bei EOLI (End of Life Ireland) für Sterbehilfe ein. Er verfügt über mehr als 40 Jahre Erfahrung in Fragen des Lebensendes. Er ist ehemaliger Vorsitzender des «Law Society Committee on Probate Administration and Trusts» und ehemaliger Präsident der «Dublin Solicitors Bar Association». Er ist einer der Gründungspartner von «Partners at Law Solicitors», einer Anwaltskanzlei mit Sitz in Dun Laoghaire.
** der Begriff «Voluntary Assisted Dying» (VAD) umfasst sowohl Suizidhilfe als auch Aktive Sterbehilfe
*** EOLI (End of Life Ireland) ist eine kleine ehrenamtliche Interessengruppe, die vor etwa fünf Jahren von Janie Lazar gegründet wurde, um die Debatte über Fragen des Lebensendes zu fördern, mit besonderem Schwerpunkt auf der Aufhebung des Gesetzes, das Sterbehilfe unter Strafe stellt.