FRANKREICH – Trotz grünem Licht durch die Assemblée: die «Aide à mourir» bleibt ein politischer Spielball
06. August 2025
Am 27. Mai 2025 stimmte die Assemblée (Unterhaus des französischen Parlaments) nach mehrtägiger, intensiver und grösstenteils sachlicher Debatte in erster Lesung über zwei Gesetzesvorlagen ab: eine zur Palliativversorgung und eine zur ärztlich unterstützten Sterbehilfe («Aide à mourir»). Während die Vorlage zur Palliativversorgung unumstritten war und problemlos genehmigt wurde, wurde bei der «Aide à mourir» um Formulierungen und Präzisierungen gerungen und es gab zahlreiche Änderungen im Text. Die Schlussabstimmung war dennoch deutlich: 305 Abgeordnete stimmten der Vorlage zu, 199 lehnten sie ab. 57 Abgeordnete enthielten sich ihrer Stimme.
Die Vorlage in Kürze
Das vorgeschlagene Gesetz, so wie es derzeit vorliegt, würde die Option schaffen, auf ausdrücklichen Wunsch und unter streng definierten Voraussetzungen Zugang zu einer legalen, sicheren und professionellen Hilfe zur selbstbestimmten Beendigung des eigenen Leidens und Lebens bekommen. Voraussetzungen für eine «Aide à mourir» wären im Wesentlichen nebst Volljährigkeit, Urteilsfähigkeit und französischer Staatsbürgerschaft resp. Wohnsitz in Frankreich das Vorliegen einer schweren, unheilbaren, fortgeschrittenen Krankheit, der feste und ausdrückliche Wunsch der Person, ihr Leiden und Leben zu beenden, sowie eine ärztliche Genehmigung. Personen mit einem rein psychischen Leiden sind ausgenommen.
Vorgesehen ist der assistierte Suizid, das heisst die Selbstverabreichung eines tödlichen Medikaments, unter ärztlicher Aufsicht. In Ausnahmefällen, wenn die Person körperlich nicht dazu in der Lage ist, darf das Medikament von einem Arzt verabreicht werden.
Jetzt ist der Senat am Zug
Mit ihrer detaillierten Auseinandersetzung mit der «Aide à mourir» und ihrer Zustimmung zur Gesetzesvorlage hat die Assemblée der Bevölkerung gegenüber signalisiert, dass man ihre Wünsche in Bezug auf die selbstbestimmte Gestaltung des eigenen Lebensendes ernst nimmt und konkrete Möglichkeiten schaffen will. Die Sache ist allerdings noch lange nicht zu Ende, denn jetzt ist der konservativ geprägte Senat am Zug, der sich – zumindest gemäss derzeitiger Planung – ab dem 7. Oktober 2025 eingehend mit der Vorlage befassen und am 21. Oktober darüber abstimmen soll. Danach wird sie erneut der Assemblée vorgelegt.
Bleibt noch genügend Zeit?
Bis zu den Präsidentschaftswahlen 2027 muss das Gesetz den gesamten Prozess durchlaufen haben und genehmigt sein. Ob das zu schaffen ist, ist unsicher, denn es gibt noch viele potenzielle Fallstricke. Zum einen könnte die Vorlage im Senat noch empfindliche Änderungen und Einschränkungen erfahren, die der Assemblée nicht gefallen, oder gar gänzlich blockiert werden. Für den Fall einer Blockade schliesst Präsident Macron eine Volksabstimmung nicht aus, was weitere Zeit im Anspruch nehmen würde. Zum anderen ist auch nicht auszuschliessen, dass es noch in diesem Herbst im Zusammenhang mit der Haushaltsdebatte erneut zu einem Regierungswechsel und damit auch zu Verzögerungen bei den Geschäften des Senats kommt.
Die Zeit könnte also knapp werden. Bis auf weiteres können in Frankreich lebende Personen ihren Wunsch nach einer selbstbestimmten Lebensbeendigung nur mit Hilfe riskanter und/oder illegaler Methoden zuhause umsetzen oder sie wählen den langen und äusserst aufwändigen Weg ins Ausland, um legal, selbstbestimmt und sicher sterben zu können.