USA – Die aktuelle Situation bezüglich Sterbehilfe in den Vereinigten Staaten
24. Februar 2025
Gastbeitrag von Mary Ewert, Final Exit Network (FEN)*
Die Wahlfreiheit am Lebensende ist in den USA stärker bedroht als je zuvor in der jüngeren Vergangenheit. Mit der Machtübernahme einer menschenrechtsfeindlichen Bundesverwaltung und der knappen Zustimmung der Wähler im Bundesstaat West Virginia zu einem Änderungsantrag, der Sterbehilfe in diesem Staat verbietet, erscheinen die Hindernisse für die Freiheit bezüglich Sterbehilfe enorm.
«Project 2025» und ärztlich unterstützte Suizidhilfe (PAS)
Die Gegner der Sterbehilfe sind finanziell gut aufgestellt und versuchen unerbittlich, dieses grundlegende Menschenrecht, das von einer Mehrheit der Amerikaner unterstützt wird, zurückzudrängen. Im Rahmen dieser Bemühungen wurde von der Heritage Foundation, einem konservativen Institut für öffentliche Ordnung, eine neue Agenda für die neue Regierung – «Project 2025» – entwickelt.
Präsident Donald Trump bestreitet seine Beteiligung an Project 2025, doch auf der Website des Projects heisst es, dass die erste Trump-Administration «fast zwei Drittel der Vorschläge von der Heritage Foundation innerhalb nur eines Jahres im Amt» übernommen habe. Viele der Kabinettsmitglieder, die von der derzeitigen Regierung ausgewählt wurden, haben Verbindungen zur Heritage Foundation. Und der vom Präsidenten vorgesehene Leiter des Gesundheitsministeriums, Robert F. Kennedy Jr., wäre für die vorgeschlagenen Neuerungen in diesem wichtigen Bereich der Exekutive der US-Regierung zuständig. Zu den Themen von «Project 2025» im Gesundheitswesen gehört die Ablehnung der ärztlich unterstützten Suizidhilfe.
– «[…] Ärztlich assistierter Suizid (PAS) ist in 10 Bundesstaaten und im District of Columbia legal. Die Legalisierung von PAS ist ein schwerer Fehler, der die Schwachen und Verletzlichen gefährdet, die Ausübung der Medizin und die Arzt-Patienten-Beziehung korrumpiert, die Familie und die Verpflichtungen zwischen den Generationen gefährdet und die Menschenwürde und die Gleichheit vor dem Gesetz verrät.»
– «[…] Jeder Mensch besitzt eine angeborene Würde und einen Wert, und unser Menschsein hängt nicht von unserem Alter, unserem Entwicklungsstand, unserer Ethnie oder unseren Fähigkeiten ab. Der Sekretär muss sicherstellen, dass alle HHS-Programme und -Aktivitäten auf einem tiefen Respekt für das unschuldige menschliche Leben vom ersten Tag an bis zum natürlichen Tod fussen: […] Sterbehilfe [ist] keine Gesundheitsfürsorge.»
Angesichts des Einflusses der konservativen Religion in der Leitung von «Project 2025» überraschen diese Aussagen nicht.
Potenzielle Bedrohungen und FENs Weg in die Zukunft
Es besteht auch die Sorge, dass ein Gesetzesentwurf, der einschränkt, was Aktivisten und gemeinnützige Organisationen sagen oder tun dürfen, in einem dafür empfänglichen Kongress wieder eingebracht wird. Besonders besorgniserregend für Final Exit Network (FEN), das sich auf die Meinungsfreiheit gemäss dem «First Amendment» (Erster Zusatz der amerikanischen Verfassung) beruft, ist die Drohung der neuen Regierung, gemeinnützige Organisationen mit politisch motivierten Untersuchungen ins Visier zu nehmen und Gesetze zur Einschränkung ihrer Aktivitäten zu erlassen.
Während Final Exit Network ins Jahr 2025 geht, sind wir uns der potenziellen Bedrohung bewusst, die die neue Regierung für FEN und seine Dienstleistungen darstellt. Müssen wir Änderungen an unseren derzeitigen Dienstleistungen vornehmen? Werden wir einige Bundesstaaten, in denen wir derzeit Unterstützung anbieten, ausschliessen müssen, wie den Bundesstaat West Virginia, der gerade eine Verfassungsänderung verabschiedet hat, um sicherzustellen, dass es keine Sterbehilfegesetze geben kann?
Als erstes werden wir nicht in Panik geraten. Wir werden unsere Dienste weiterhin in allen Bundesstaaten anbieten. Der Bedarf an unseren Dienstleistungen wird sich nicht ändern, nur weil die Trump-Administration das Sagen hat. Unsere Bevölkerung altert. Einer von drei Menschen über 85 leidet an einer Form von Demenz. Für Menschen, die nicht in einem dementen Zustand leben wollen, ist es unhaltbar, wenn sie gegen ihren Willen am Leben erhalten werden. Die Menschen brauchen legale, vernünftige und gangbare Optionen, wie sie ihr Lebensende gestalten können.
Was FEN tut, ist legal, sicher und friedvoll. Es ist legal, dass eine Person ihren Tod beschleunigt und dass die Familie weiss, dass sie dies tun wird. Nicht legal ist die Bereitstellung der Mittel oder der physischen Unterstützung dazu, was FEN nicht tut. Unsere Betreuer sind darin geschult, die Richtlinien und Verfahren zu befolgen, die im Handbuch für das Betreuerprogramm festgelegt sind, das jährlich von unserem Vorstand überprüft wird. Wir stellen Informationen zur Verfügung, die den Menschen die Möglichkeit geben, selbst zu entscheiden, wie und wann sie sterben wollen. Die Bürger von West Virginia dürfen sich selbst das Recht auf medizinische Sterbehilfe verweigern. Es ist jedoch ein Rätsel, weshalb sie sich selbst ein grundlegendes Bürgerrecht verweigern. Wir sollten nicht vergessen, dass es eine knappe Mehrheit ist, die dies tut. Das Recht von FEN, sich zu äussern und seine Klienten und die Öffentlichkeit aufzuklären, bleibt bestehen.
Wir werden weiterhin sorgfältig und gründlich bei der Umsetzung und Begleitung vorgehen. Wir sorgen weiterhin dafür, dass unsere Klienten ihre sicheren und legalen Möglichkeiten kennen, einschliesslich der Gesetze zur ärztlich unterstützen Suizidhilfe, der Reise in die Schweiz und des freiwilligen Verzichts auf Nahrung und Flüssigkeit. Wir sorgen weiterhin dafür, dass unsere Klienten die schwierigen Gespräche mit ihren Angehörigen führen können. Und wir werden weiterhin sowohl die persönliche Autonomie als auch das soziale Beziehungsgeflecht gleichermassen wertschätzen und unsere Organisation langfristig schützen.
Schliesslich wollen wir künftig mehr Zeit darauf verwenden, die Menschen über Rechtmässigkeit und Bedeutung der Wahlfreiheit bezüglich des eigenen Lebensendes aufzuklären. Wir sind zwar nicht in der politischen Arena aktiv – dies tun die beiden grossen Gruppierungen «Death with Dignity National Center» und «Compassion & Choices» –, dennoch setzen wir uns als Final Exit Network mit unseren Aktionen für die Menschen ein. Sie sollen ihre Möglichkeiten kennen, unabhängig davon, wofür sie sich letztendlich entscheiden. Die meisten Menschen werden heute der Natur – oder besser gesagt dem medizinischen Gesundheitssystem – ihren Lauf lassen und in einem Krankenhaus oder in ihrem Zuhause mit Hospizbetreuung sterben. Doch einige entscheiden sich dafür, nach ihren eigenen Vorstellungen zu sterben. Final Exit Network ist für die Menschen da, die diese Entscheidung treffen und die Voraussetzungen für unsere Dienste erfüllen.
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* Mary Ewert ist Geschäftsführerin von Final Exit Network (FEN). FEN setzt sich für das Menschenrecht auf ein Sterben in Würde ein und vertritt die Auffassung, dass urteilsfähige Erwachsene, die an einer unheilbaren Krankheit, unerträglichen körperlichen Schmerzen, chronischen oder fortschreitenden körperlichen Behinderungen leiden oder die aufgrund von Demenz mit dem Verlust ihrer Autonomie und ihres Selbsts konfrontiert sind, ein grundlegendes Menschenrecht darauf haben, ihr Leben selbst zu beenden, wenn sie ihre Lebensqualität als inakzeptabel erachten.