Serie: Einblick in die Arbeit bei DIGNITAS

24. Februar 2025

Folge 1: Im Gespräch mit Carola* vom Team Erstkontakt

Was hat dich zu DIGNITAS gebracht?
Ich war auf der Suche nach einer sinnstiftenden Tätigkeit. Aus persönlicher Erfahrung war mir bewusst, wie wichtig Selbstbestimmung und Mitgestaltung bis zuletzt sind. Als mir ein Stellenangebot von DIGNITAS begegnete, war ich mir sicher: Das will ich. Und es hat zu meiner grossen Freude tatsächlich geklappt! 

Was sind die Aufgaben des Erstkontakts? 
Das Team Erstkontakt triagiert, bearbeitet und beantwortet sämtliche eingehende Briefpost und E-Mails und nimmt Telefonanrufe entgegen. Pro Tag erreichen uns zwischen 20 und 50 Anrufe und zwischen 150 und 250 Mails aus aller Welt.

Mit welchen Anliegen kommen Menschen auf euch zu?
Menschen, die DIGNITAS kontaktieren, befinden sich meist in einer sehr schwierigen Lebenslage. Oft sind es Menschen, die sich aufgrund einer persönlichen Betroffenheit zum ersten Mal eingehend mit dem selbstbestimmten Lebensende befassen und sich über ihre Möglichkeiten informieren wollen, manchmal auch Angehörige oder Freunde von Betroffenen. Es geht meist um das Thema Freitodbegleitung, manchmal auch um Patientenverfügungen. Es melden sich mehrheitlich Menschen mit schweren somatischen Erkrankungen, doch es melden sich auch Personen mit psychischen Erkrankungen, die einen Ausweg aus ihrem Leiden suchen und nicht mehr weiterwissen. 

Was gefällt dir besonders an der Arbeit im Erstkontakt?
Bei den Gesprächen mit den Menschen, die uns kontaktieren, geht es um tiefgreifende, existentielle Fragen. Sie sind so vielfältig und individuell wie ihre persönliche Geschichte. Das ist auch auf der menschlichen Ebene sehr bereichernd.

Welche Situationen gehen dir besonders nahe?
Die Vorbereitungsphase einer Freitodbegleitung ist aufwändig und beansprucht viel Zeit. Wenn sich jemand in einem sehr fortgeschrittenen Stadium einer tödlichen Krankheit meldet oder sich der Zustand einer Person plötzlich rapide verschlechtert, bleibt manchmal einfach nicht mehr genügend Zeit für eine Freitodbegleitung, weil die Person beispielsweise im Ausland lebt, nicht mehr transportfähig ist oder sich nicht mehr artikulieren kann. Da fällt es mir manchmal sehr schwer, der Person oder den Angehörigen eine Absage erteilen zu müssen.

Was hilft dir in schwierigen Situationen?
Wir pflegen in unserem Team und auch mit unserer Teamleiterin einen sehr offenen Umgang. Wir tauschen uns über belastende Situationen aus. Manchmal reicht es auch einfach, sich einen Moment zurückziehen zu können, um etwas durchzuatmen und auf andere Gedanken zu kommen.
Ausgleich finde ich auch privat. Wir arbeiten alle in einem Teilzeitpensum und ich nutze meine freie Zeit, um beispielsweise in die Natur zu gehen, Musik zu hören, zu kochen oder mich mit Freunden auszutauschen.

Welche Eigenschaften sind für diese Arbeit wichtig?
Wir verfolgen einen ergebnisoffenen Gesprächsansatz und wollen niemandem einen bestimmten Weg aufzwingen oder eine Entscheidung abnehmen. Da muss man in erster Linie gut zuhören können. Es ist wichtig, den Anliegen und Überlegungen des Gegenübers Raum zu geben ohne zu werten, seine Situation zu erfassen, bei Unklarheiten nachzufragen und mit Informationen zu unterstützen. Es braucht natürlich auch Respekt vor und Interesse an Menschen und ihren Geschichten. Und die Fähigkeit sich einzulassen, ohne die persönliche Distanz zu verlieren. Da DIGNITAS mit Menschen aus aller Welt zu tun hat, sind neben Deutsch auch sehr gute mündliche und schriftliche Fremdsprachenkenntnisse in Englisch, Französisch und Italienisch notwendig.

Hat dich die Arbeit bei DIGNITAS verändert?
Ja, sehr. Wenn man so oft mit Menschen am Lebensende zu tun hat, relativiert sich vieles auch im eigenen Leben. Ich bin vor allem gelassener und reflektierter geworden, nehme vieles nicht mehr so wichtig wie früher. Das Zwischenmenschliche hat einen viel höheren Stellenwert bekommen und ich halte mich nicht mehr so sehr mit Banalitäten auf.
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*Carola arbeitet seit drei Jahren bei DIGNITAS. Neben ihrer Arbeit im Team Erstkontakt ist sie auch Freitodbegleiterin.