NEUSEELAND – Bald könnten mehr Menschen Zugang zu Sterbehilfe haben

05. November 2025

Gastbeitrag von Ann David*

Aus Neuseeland, wo im November 2021 der «End of Life Choice Act» in Kraft trat, kommt die gute Nachricht, dass ein Änderungsgesetz dazu im Parlament eingereicht wurde, wie hier berichtet wird. Die «End-of-Life Choice Society» (EOLC) gratuliert dem Initiator des Gesetzesentwurfs, dem Abgeordneten Todd Stephenson, zu seiner mitfühlenden Initiative. EOLC arbeitet bereits seit einiger Zeit eng mit ihm zusammen.

Der Gesetzesentwurf
Der wichtigste Vorschlag im Entwurf des Änderungsgesetzes besteht darin, die Formulierung «unheilbar erkrankt [ist] und voraussichtlich innerhalb von sechs Monaten stirbt» durch die Formulierung aus dem erfolgreich verabschiedeten «Voluntary Assisted Dying Act» des Australian Capital Territory zu ersetzen: «mit einer Krankheit diagnostiziert, die entweder für sich allein oder zusammen mit einer oder mehreren anderen diagnostizierten Erkrankungen fortgeschritten und progressiv ist und voraussichtlich zum Tod führen wird». Alle anderen Zulassungskriterien bleiben unverändert.

Wird der Gesetzesentwurf verabschiedet, würde dies Menschen mit Degenerativerkrankungen, Herz- oder Lungenerkrankungen im Endstadium und dem Ehlers-Danlos-Syndrom Zugang zu Assisted Dying ermöglichen. Wie in Kanada könnten in bestimmten Fällen auch an Demenz erkrankte Menschen diesen Weg wählen.

Eine weitere Änderung, die auch von der EOLC gefordert wurde, ist der Vorschlag, einen «waiver of final consent» (Verzichtserklärung auf und Ersatz für die letzte Einwilligung) einzuführen. Diese wäre kurze Zeit gültig und würde den Zeitraum zwischen der Feststellung der vollständigen Anspruchsberechtigung und dem Datum der Entgegennahme der lebensbeendenden Medikamente abdecken. Dadurch könnte die Person während dieser Übergangszeit weiterhin Schmerzmittel und Medikamente zur Symptomkontrolle einnehmen, in der Gewissheit, dass sie auch dann, falls sie durch die Medikamente ihre Urteilsfähigkeit verliert, Sterbehilfe beanspruchen kann.

Schliesslich wurden im Änderungsantrag auch alle 25 Empfehlungen aufgenommen, die das Gesundheitsministerium bei der gesetzlich vorgeschriebenen Überprüfung des bestehenden Gesetzes im November 2024 abgegeben hatte. Die wichtigste davon ist der Vorschlag, das generelle Verbot für Ärzte, das Thema Sterbehilfe anzusprechen, aufzuheben. Wird dieser Änderungsantrag verabschiedet, dürfen Ärzte das Thema im Rahmen von Gesprächen über die Behandlung am Lebensende mit ihren Patienten ansprechen. Dies würde dazu beitragen, den Zugang zu Assisted Dying gerechter zu gestalten, insbesondere für ältere sowie für sozial und wirtschaftlich benachteiligte Personen und für solche, die über eher wenig Wissen zu Gesundheitsthemen verfügen.

Die an Assisted Dying beteiligten Stellen begrüssen auch den Vorschlag, die Verpflichtung für eine Person aufzuheben, einen bestimmten Termin für die Aushändigung der lebensbeendenden Medikamente festzulegen, welcher der zuständigen Behörde im Voraus mitgeteilt werden muss. Stattdessen könnte die Person innerhalb von sechs Monaten nach Feststellung der vollständigen Zugangsberechtigung jederzeit einen Termin mit der für sie zuständigen Stelle vereinbaren. Dies hat den Vorteil, dass Verzögerungen durch aufwändige Bürokratie vermieden werden, wenn eine Person ihren Termin dringend vorverlegen möchte.

Die EOLC ist erfreut darüber, dass das Gesundheitsministerium unseren Wunsch unterstützt hat, dass auch Pflegefachpersonen («Nurse Practitioners», NPs) an der Sterbehilfe beteiligt sein können. Das Ministerium empfahl, dass NPs vollständig die Aufgaben als Erstbegutachtende übernehmen können; Zweitbegutachter ist weiterhin ein Arzt. Dies würde den NPs den verdienten Respekt geben, die sich an Assisted Dying beteiligen möchten, und ist eine Anerkennung ihrer hohen akademischen Qualifikation und ihrer unter Aufsicht erworbenen praktischen Fachkompetenz gegenüber allgemeinen Krankenpflegenden («Registered Nurses»). Darüber hinaus würde dies die Zahl der verfügbaren Sterbehilfe-Fachpersonen erhöhen und dazu beitragen, eine Überlastung der involvierten Ärzte zu verhindern.

Ablehnung von Sterbehilfe aus Gewissensgründen ist in Neuseeland seit jeher ein Thema, insbesondere in Hospizen und konfessionell gebundenen Pflegeeinrichtungen. Es sind einige Horrorgeschichten ans Licht gekommen. Dementsprechend greift der Änderungsentwurf mehrere Empfehlungen des Gesundheitsministeriums auf, um die Ablehnung aus Gewissensgründen zu erschweren, insbesondere wenn dies einer vorsätzlichen Behinderung gleichkommt. Derzeit ist nur eines der 32 Hospize in Neuseeland, das Tōtara Hospice in South Auckland, bereit, Assisted Dying vor Ort zuzulassen. Wir danken der Geschäftsführerin von Tōtara, Tina McAfferty, und ihrem medizinischen Direktor, Dr. James Jap, für ihre Bereitschaft, die Entscheidung der Patienten an erste Stelle zu setzen.

Es werden keine Änderungen an den gesetzlichen Schutzmassnahmen vorgeschlagen.

Die EOLC schätzt und würdigt die Unterstützung unseres ehrenamtlichen Rechtsteams von Russell McVeagh und unserer eigenen ehrenamtlichen Rechtsberaterin Catherine Marks.

Die Kampagne
Ein Gesetzesentwurf eines Abgeordneten ist nicht dasselbe wie ein Gesetzesentwurf der Regierung: Es gelten unterschiedliche Regeln. Während ein Gesetzesentwurf der Regierung automatisch einen Platz auf der Tagesordnung zur Diskussion erhält, kann ein Gesetzesentwurf eines Abgeordneten nur diskutiert werden, wenn:

  1. er bei der Auslosung konkurrierender Gesetzentwürfe durch Glück gezogen wird; oder
  2. er von 61 nicht-exekutiven Abgeordneten unterstützt wird und so das Losverfahren umgangen werden kann.

Die Unterstützung dieser 61 nicht-exekutiven Abgeordneten (d. h. «Hinterbänkler») zu gewinnen, ist nun die Aufgabe der EOLC. Das wird nicht ganz einfach sein, da es nur 92 Hinterbänkler gibt, von denen viele erst seit kurzem im Parlament sind und sich zum ersten Mal mit den gesetzlichen Hürden im Zusammenhang mit Assisted Dying befassen.

Selbstredend haben die üblichen Verbreiter von Desinformation und Falschinformationen bereits in den Medien mit dem Dammbruchargument die Alarmglocke geläutet. 

Sicher, mitfühlend und bestärkend
In den fast vier Jahren, in denen Assisted Dying in Neuseeland praktiziert wird, wird dies nach und nach als Option am Lebensende akzeptiert. Das Gesundheitsministerium veröffentlicht jährlich am 30. Juni einen datenbasierten Bericht.

Die Option, von Neuseeland aus zu DIGNITAS zu reisen
Die End-of-Life Choice Society wird manchmal von Personen kontaktiert, die leider die Kriterien für eine Zulassung zu Assisted Dying in Neuseeland nicht erfüllen und verzweifelt nach Alternativen suchen. Selbstverständlich machen wir sie auf die Möglichkeiten der Palliativmedizin, der terminalen Sedierung sowie des freiwilligen Verzichts auf Nahrung und Flüssigkeit (FVNF) aufmerksam, doch verständlicherweise empfinden nicht alle diese Optionen als für sie akzeptabel.

Wir erläutern auch die Möglichkeiten in der Schweiz, darunter den gemeinnützig tätigen Verein «Dignitas– Menschenwürdig leben – Menschenwürdig sterben». Für die meisten gibt es mehrere hindernde Faktoren: die Belastung durch die Reise von der südlichen in die nördliche Hemisphäre, die Schwierigkeit, die notwendigen medizinischen Unterlagen zu beschaffen, ohne Verdacht zu erwecken, die Kosten, die auch dann anfallen, wenn Dignitaseine Kostenermässigung oder -befreiung gewährt, und die Angst, dass Angehörige bei ihrer Rückkehr nach Neuseeland wegen Beihilfe zum Suizid strafrechtlich verfolgt werden könnten. Obschon uns keine Fälle bekannt sind, in denen Personen in Neuseeland von der Polizei befragt oder sogar strafrechtlich verfolgt wurden, fühlen wir uns verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass dies passieren könnte.

*Ann David ist ehemalige Präsidentin der End-of-life Choice Society of New Zealand (EOLC) und Mitglied des EOLC-Komitees. Sie setzt sich seit langem für das Recht auf ein würdevolles Lebensende ein.