Jugendsession 2025 verlangt vom Bund Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagne
14. November 2025
«Dignitas – Menschenwürdig leben – Menschenwürdig sterben» an der Jugendsession
Die Jugendsession 2025[1] war für den Verein «Dignitas – Menschenwürdig leben – Menschenwürdig sterben» (nachfolgend kurz: Dignitas) eine erfreuliche Veranstaltung: Wir erhielten die Gelegenheit, mit jungen, politisch interessierten Menschen über den assistierten Suizid zu diskutieren und wurden eingeladen, unser Wissen und unsere Erfahrung in die Vorbereitung des Dossiers einfliessen zu lassen sowie den Jugendlichen zusammen mit anderen Fachleuten als Experten zur Verfügung zu stehen.
Vorbereitung und Diskussion in der Arbeitsgruppe
Zunächst berieten wir die Verfasserin beim Zusammenstellen des Themendossiers «Assistierter Suizid». Am 6. November 2025 fand schliesslich ein Hearing mit der Arbeitsgruppe «Assistierter Suizid» statt, wofür neben Michael Schermbach, Advokat bei Dignitas, weitere Experten geladen wurden: Prof. Dr. med. Paul Hoff, u.a. Präsident der Zentralen Ethikkommission, lic. theol. et dipl. biol. Sibylle Ackermann, Leiterin Ressort Ethik von der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften, M. Theol. et B.A. Florian Lüthi von der Dienstelle Ethik und Gesellschaft der katholischen Kirche in Freiburg i.Ue. und Dr. med. Sandra Eckstein, Leiterin Palliativabteilung Unispital Basel.
Nach einer Vorstellungsrunde gab es drei Fragen, die allen Teilnehmenden gestellt wurden:
- Was interessiert Sie an / ist Ihr persönliche Bezug zur Suizidassistenz?
- Ab wann (welchem Alter) soll Suizidassistenz möglich sein?
- Wie ist Ihre Haltung zur Transplantation nach der Suizidassistenz?
Zur zweiten Frage wies Dignitas insbesondere auf die Notwendigkeit der Urteilsfähigkeit hin und die hierfür nicht genau fest zu machende Altersgrenze, da die Urteilsfähigkeit immer relativ sei. Zur dritten Frage wurde von den anderen Experten und Expertinnen zwar eingeräumt, dass jede der beiden Handlungen (Suizidassistenz und Organtransplantation) für sich allein genommen problemlos sei, doch lasse die Kombination der beiden weitere, insbesondere ethische Fragen aufkommen. Als Beispiel wurde der Sterbewunsch genannt, der bei den betroffenen Personen, je näher der Tag des assistierten Suizids komme, auf einmal nicht mehr so stark sein könnte, die jeweilige Person sich jedoch unter Umständen verpflichtet fühle, zu sterben, weil sie das Organ im Vorfeld bereits «versprochen» habe. Dignitas vertrat und vertritt die Haltung, dass die Verbindung des assistierten Suizids und einer nachfolgenden Organtransplantation auf jeden Fall möglich sei und dabei die besonderen Abläufe geprüft werden müssten. Zunächst müsse aber vor allem dem Selbstbestimmungsrecht des potenziellen Spenders und der potenziellen Spenderin Rechnung getragen werden, was bedeute, dass ein Rückzug auch in diesem besonderen Zusammenhang bis zuletzt immer möglich sein müsse. Dignitas wies weiter darauf hin, dass eine Verbindung von Organtransplantation mit Suizidassistenz ausschliesslich in einem Spital durchgeführt werden könne und daher heutzutage kaum möglich sei, da die meisten Kantone / Spitäler Suizidassistenz in Spitälern gar nicht zulassen möchten, wie die aktuelle Diskussion unter anderem im Kanton Zürich zeige.
Auf dem heissen Stuhl
In einem zweiten Teil kam jeder der Experten auf einen «heissen Stuhl» und wurde fünf Minuten mit von der Arbeitsgruppe vorbereiteten Fragen konfrontiert.
Dignitas wurde zum Ablauf einer Freitodbegleitung, zu den erhobenen Kosten mit der Möglichkeit eines Kostenerlasses bei Bedürftigkeit, zum fachlichen Hintergrund der Mitarbeitenden und zur externen Kontrolle befragt. Dignitas hielt fest, dass jede Freitodbegleitung als aussergewöhnlicher Todesfall von Polizei, Staatsanwaltschaft und Amtsarzt überprüft wird. Die externen Kontrollen der Vereinstätigkeit erfolgen durch eine Geschäftsprüfung, die kantonale Steuerbehörde und natürlich die Staatsanwaltschaft. Auch wurde Dignitas befragt, ob nach ihrer Ansicht die momentane Gesetzeslage ausreichend sei. Dazu verwies Dignitas auf ein Zitat von Montesquieu: «Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu erlassen». Die Notwendigkeit, ein Gesetz zu erlassen, sei hinsichtlich der Suizidassistenz in der Schweiz nicht gegeben, was im Übrigen auch rechtswissenschaftlich aufgearbeitet und gestützt wird. Im Gegensatz zu anderen Ländern benötigten die Schweizerinnen und Schweizer keine gesetzliche Erlaubnis, ihre Freiheit auszuüben, solange diese Ausübung nicht eine andere Grundfreiheit beeinträchtige.
In einer Schlussrunde konnte jede Expertin und jeder Experte erläutern, welcher eigene Beitrag für die Arbeitsgruppe assistierter Suizid und die nachfolgende Verhandlung im Plenum wichtig gewesen sei. Hierbei hielt Dignitas fest, dass es zwar aus seiner Sicht nicht notwendig sei, in der Schweiz ein Spezialgesetz zur Suizidassistenz zu erlassen, dass die immer wiederkehrende Debatte jedoch wichtig sei, so wie zuletzt im Ständerat. Insbesondere gilt dies auch für diesen besonderen Rahmen der Jugendsession, in dem sich jüngere Menschen mit dem Thema auseinandersetzen und neue Betrachtungsweisen einbringen können.
Resultat und Dank
Nach der gut vorbereiteten und eingehenden Debatte am Sonntag, 9. November 2025, forderte das Jugendparlament das Eidgenössische Parlament auf, den Bundesrat zu beauftragen, eine «Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagne in die Wege zu leiten, welche über die rechtlichen Grundlagen, die ethischen Fragen und die emotionalen Auswirkungen des assistierten Suizids informieren soll» (s. PDF «Änderungsanträge», Antrag 08.01. auf Seite 17). Der Änderungsantrag, der eine ethische Betrachtung aussen vorlassen wollte, fand keine Mehrheit. Eine Begründung aus dem Plenum dazu war, dass der Tod zu wichtig sei, um die Ethik auszuklammern.
Dignitas dankt den Organisatorinnen und Organisatoren der Jugendsession 2025 für die Teilnahmemöglichkeit und insbesondere der Arbeitsgruppe «Assistierter Suizid» für die Erfahrungen aus dieser so wichtigen und auch für Dignitas aufschlussreichen Veranstaltung. So war es auch für Dignitas beeindruckend, wie reflektiert und detailliert die Teilnehmenden die Inhalte rund um das Thema Selbstbestimmung und Wahlfreiheit bis zum Lebensende untersuchten und verhandelten.
[1] Aufzeichnung des Livestreams der Session: Die Suizidassistenz wird ab 5h 20’ debattiert.